Mindestsicherung muss wieder Mittel der Armutsbekämpfung werden

Kärntner Mindestsicherung verschärft die Lage Armutsbetroffener in Kärnten

05. 10. 2015

Wir trauern um Sieglinde Trannacher

Ihr Engagement war getragen von sozialer Empathie und einem kritischen Blick auf jene Widrigkeiten, die Menschen an die gesellschaftlichen Ränder drücken, von der Teilhabe am kulturellen Leben ausgrenzen, i...

13. 11. 2015

4. Kärntner Soziale Dialog Konferenz

Bereits zum 4. Mal findet am 4. Dezember 2015 die Kärntner Soziale Dialog Konferenz statt. Zahlreiche ExpertInnen aus Kärntens Sozialorganisationen widmen sich dieses Mal dem Thema Armut und Gesundheit. Weiter Informationen f...

Bericht des Kärntner Netzwerkes gegen Armut und soziale Ausgrenzung im Sozialausschuss des Kärntner Landtags
Am 15. Oktober 2015 berichtete Monika Skazedonig, Koordinatorin und Sprecherin des Kärntner Netzwerkes gegen Armut und soziale Ausgrenzung im Sozialausschuss des Kärntner Landtages über die Ergebnisse der 3. Kärntner Sozialen Dialog Konferenz vom April 2015.

Die Dialogkonferenz stand unter dem Thema Bedarfsorientierte Mindestsicherung. Die 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten sich Fachvorträge zu den Themen Mindestsicherung in Kärnten und im Bundesvergleich sowie Würde, Erwerbsarbeit und Bedarfsorientierte Mindestsicherung anhören. Weiter wurde das Buch „Experimentelle Arbeitsmarktpolitik. Bilanz und Perspektiven“ vorgestellt.

Der Abschlussbericht wurde auch an die politischen Vertreterinnen und Vertreter verschickt, woraufhin Frau LAbg. Ines Obex-Mischitz, Vorsitzende des Sozialausschusses Monika Skazedonig als Vertreterin des Kärntner Netzwerkes gegen Armut und soziale Ausgrenzung in den Sozialausschuss als Auskunftsperson einlud.

Die Gelegenheit wurde genutzt, um mit Nachdruck auf die dringendsten Probleme armutsgefährdeter und armutsbetroffener Menschen in Kärnten hinzuweisen und auf Mängel aus Sicht der Betroffenen sowie der Kärntner Sozialorganisationen in der Kärntner Mindestsicherung hinzuweisen.

Vorneweg sollen ein paar Zahlen zu Armutsgefährdung und Bedarfsorientierter Mindestsicherung in Kärnten angeführt werden.

Lt. EU-SILC 2014 leben derzeit zwischen 46.000 und 67.000 Kärntnerinnen und Kärntner unter der Armutsgefährdungsschwelle. Diese beträgt für das Jahr 2014 Euro 1.161,00 und liegt damit mehr als Euro 300,00 über dem Mindeststandard für Alleinstehende und Alleinerziehende.

Von wie vielen Bezieherinnen und Beziehern von BMS sprechen wir in Kärnten? Dafür müssen wir auf Zahlen aus dem Jahr 2013 zurückgreifen. Zu diesem Zeitpunkt haben in Kärnten 5.020 Männer, Frauen und Kinder mind. eine Leistung aus der Mindestsicherung bezogen. Die Ausgaben für BMS haben in Kärnten im Jahr 2013 Euro 9,3 Mio. ausgemacht, bei 5.020 BezieherInnen sind das durchschnittliche Leistungen pro Monat in der Höhe von Euro 154,00 pro Person. Interessanterweise ist Kärnten das einzige Bundesland in dem die Ausgaben von 2012 auf 2013 - bei einer geringfügigen Steigerung der BezieherInnen - gesunken sind (540.000 Euro).

Die zentralen Forderungen des Kärntner Netzwerkes gegen Armut und soziale Ausgrenzung zur Verbesserung der sozialen Lage von Mindestsicherungsbezieherinnen und –beziehern in Kärnten wurden den Mitgliedern des Sozialausschusses  vorgestellt.

  • Keine Anrechnung der erhöhten Familienbeihilfe

Derzeit wird bei Menschen mit Behinderung, die im selben Haushalt mit ihren Eltern leben, die erhöhte Familienbeihilfe als Einkommen bzw. als Einsatz eigener Mittel bei der Berechnung der BMS angerechnet. Für die Betroffenen sind die Geldleistungen von Bund und Land die einzige Möglichkeit, ihren erhöhten Bedarf an Gesundheits- und Hilfsdienstleistungen, die auch sehr kostenintensiv sind, zu bestreiten. Die Anrechnung von Euro 150,00 als Einkommen fehlt den Menschen beim notwendigsten, um ihre Lebenssituation zu bestreiten. Dass die erhöhte Familienbeihilfe zum Abzug gebracht wird, ist nicht in allen Bundesländern Usus. Im Burgenland, Niederösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Wien wird die erhöhte Familienbeihilfe nicht als Einkommen angenommen.

  • Keine Reduktion des Wohnbedarfs durch die Wohnbeihilfe

Der Wohnbedarf in der BMS beträgt derzeit für Alleinstehende und Alleinerziehende max. Euro 207,--, die im maximalen Auszahlungsbetrag von 827,-- schon inkludiert sind. Derzeit ist es Praxis in Kärnten, dass die Wohnbeihilfe dazu führt, dass den Bezieherinnen und Beziehern die BMS um 25%, also um die Höhe des Wohnbedarfs gekürzt wird. In der Art. 15a B-VG wird festgelegt, was unter Wohnbedarf zu verstehen ist. Darunter fallen ausschließlich die Kosten für die Miete, Betriebskosten sowie Gebühren. Strom- und Heizkosten werden nicht als Wohnbedarf sondern als Lebensbedarf gezählt. Die Wohnbeihilfe ist bereits für viele Kärntnerinnen und Kärntner die erste armutssichernde Maßnahme, um den „unzumutbaren Wohnungsaufwand“ abzufedern. Diesem Ziel wird bei BezieherInnen von Bedarfsorientierter Mindestsicherung nicht entsprochen, weil sie die restlichen Aufwände für Miete, Betriebskosten, Strom und Heizung aus dem Anteil für den Lebensbedarf bestreiten müssen.

Als best practice Beispiele hinsichtlich der Unterstützung bei den Wohnkosten können Vorarlberg und Tirol hervorgehoben werden. In beiden Ländern werden die ortsüblichen tatsächlichen Wohnkosten bis zu einer Obergrenze übernommen. Für die Wohnungsgröße je Haushaltstyps gibt es ebenfalls Obergrenzen z. B. 50m² für Alleinstehnde, 60m² (Tirol) bzw. 70m² (Vbg.) für Zweipersonenhaushalte und für jede weitere Person 10m².

  • Erhöhung der Mindeststandards für Kinder

In Kärnten werden die niedrigsten Mindeststandards österreichweit für Kinder gewährt. D.h. dass in allen anderen Bundesländern die Minimalvorgaben der Art. 15a B-VG übertroffen werden. In Kärnten werden für die ersten drei Kinder jeweils 18% des Mindeststandards und für jedes weitere Kind jeweils 15% gerechnet, bis zur Volljährigkeit. In Salzburg, das mit der EinwohnerInnenzahl relativ mit Kärnten vergleichbar ist, betragen die Mindeststandards z. B. für alle Kinder 21%.

  • Menschen mit psychischen Behinderungen dem K-ChG unterstellen

Derzeit beziehen Menschen mit psychischen Behinderungen Leistungen nach dem Kärntner Mindestsicherungsgesetz. Menschen mit psychischen Behinderungen haben aber ebenfalls wie Menschen mit körperlichen Behinderungen oder Lernschwierigkeiten einen erhöhten Bedarf an Beratungs- und Betreuungsdienstleistungen sowie an persönlicher Assistenz in unterschiedlichen Lebensbereichen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, die von den Leistungen der Mindestsicherung nicht gedeckt sind.

  • Vereinheitlichung der Durchführung auf den Ämtern und Behörden

Wir erhalten immer wieder Berichte darüber, dass es unterschiedliche Entscheidungen in Bezug auf Bewilligung oder Höhe von Mindestsicherung in vergleichbaren Fällen gibt. Die Praxis unterscheidet sich nicht nur von Bezirk zu Bezirk, sondern häufig auch innerhalb einer einzigen Behörde und scheint abhängig von der zuständigen ReferentIn. Dadurch werden auch Fehlinformationen gestreut, die den AntragstellerInnen mitgegeben werden. Uns ist auch berichtet worden, dass AntragstellerInnen von den MitarbeiterInnen bei den Behörden aufgefordert worden sind, Wohnbeihilfe zu beantragen, und sie erst nach Bewilligung der Wohnbeihilfe einen Antrag auf BMS stellen konnten. Wir fordern deshalb eine Verordnung für die Handhabung des Kärntner Mindestsicherungsgesetzes, der allen einen transparenten, nachvollziehbaren und einheitlichen Vollzug gewährleistet, an dem sich auch die AntragstellerInnen orientieren können.

Zur Orientierung und als Information für die AntragstellerInnen benötigt es auch einen vereinfachten, niederschwelligen Zugang zu Antragsformularen sowie Checklisten über die notwendigen Dokumente und verständliche, barrierefreie Anleitungen zum Ausfüllen der Anträge. Weiter möchten wir regelmäßige Schulungen für die mit den AntragstellerInnen betrauten MitarbeiterInnen empfehlen, um Schikanen, Diskriminierung, entwürdigendes Verhalten gegenüber AntragstellerInnen und vor allem Missverständnissen vorzubeugen.