Armutskonferenz: Sieben Punkte zur Reform der Mindestsicherung

Mehr Prävention, weniger Bundesländer Wirrwarr, klügere Finanzierung, Reform bei Behinderung, Unterhalt neu, Sonderbedarf fehlen

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Anlässlich der über das Wochenende stattgefundenen Tagung zur Mindestsicherung in Wien fasst die Armutskonferenz die wichtigsten Erkenntnisse und Reformnotwendigkeiten in sieben Punkten zusammen:

1. Die Mindestsicherung ist überlastet. Erwerbsarbeit und Versicherungsleistungen können Einkommensarmut zunehmend weniger verhindern. Es genügt also nicht, über die Mindestsicherung allein zu sprechen - die Vermeidung von Einkommensarmut wäre zentrale Aufgabe. "Die Mindestsicherung kann in Zukunft nicht der Staubsauger für alle strukturellen Probleme sein, die in der Mitte der Gesellschaft angelegt sind: Arbeitslosigkeit, Pflegenotstand, prekäre Jobs, mangelnde soziale Aufstiegschancen im Bildungssystem.", macht die Armutskonferenz aufmerksam. Besser ist es präventiv zu verhindern, dass Leute in die Mindestsicherung fallen.

2. Sachlich ist nicht zu rechtfertigen, dass es neun verschiedene gesetzliche Regelungen gibt mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten.

3. Die Finanzierung ist mehr als problematisch: Als Landesleistung fallen die Ausgaben in die Gemeinden, Städte bzw. Sozialhilfeverbände. Dieses "Heimatprinzip" hat seine Ursprünge noch im Armenwesen des 19. Jahrhunderts. Das führt zur Überforderung: Arme Gemeinden haben viele Anspruchsberechtigte und damit hohe Kosten, reichere Gemeinden haben wenige Mindestsicherungsbezieher und keine Ausgaben. Das
macht es auch attraktiv, Anspruchsberechtigte nach dem Floriani-Prinzip loswerden zu wollen - in die nächste Stadt oder überhaupt ein anderes Bundesland. Die Armutskonferenz schlägt hierzu ein "Zweckzuschuss-Gesetz" vor: also ein Gesetz, dass die Länder und Gemeinden verpflichtet, das Geld, das sie im Rahmen des Finanzausgleichs erhalten, auch tatsächlich für diesen Zweck auszugeben. Das würde dem Bund auch wirksamere Sanktionsmöglichkeiten einräumen als jetzt zur Verfügung stehen, um den Bruch der der 15a-Vereinbarung zu ahnden.

4. Was in der Diskussion oft untergeht: in den meisten Bundesländern kommt der Mindestsicherung auch die Rolle zu, ein finanzielles Existenzminimum für Menschen mit so genannter erheblicher Behinderung, wenn sie in Privathaushalten leben, sicherzustellen. Auf deren besondere Bedürfnisse - wie z.B. ein gegenüber anderen Personen erhöhter Regelbedarf - hat die Mindestsicherung derzeit keine Antwort. Und es kommt zu großen sozialen Härten, wenn Menschen von Familienangehörigen gepflegt werden, weil das Pflegegeld zwar nicht den Personen mit Beeinträchtigung angerechnet werden darf, - nach Abzug nachweisbarer Zukäufe im Zusammenhang mit dem Pflegebedarf sehr wohl aber der Person, die sie pflegt und deshalb nicht erwerbstätig ist. Wir können noch nicht einmal sagen, wie viele Personen das betrifft, werden Menschen mit Behinderungen in der Statistik bei den Kindern mitgezählt.

5. Es braucht Leistungen mit Rechtsanspruch. Das wäre Sonderbedarf - Kosten für Bedarfe, die nicht als Kosten des täglichen Lebens gewertet werden können. Stichwörter sind: Geburt eines Kindes, Reperaturen,
Kautionen für Wohnungsanmietungen, etc.

6. Zeitgemäße Definition der "vorrangigen Leistungen Dritter": Unterhaltsverpflichtungen zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern bzw. sogar zwischen Enkeln und ihren Großeltern. Die derzeitigen Regelungen sind mit einem modernen Sozialstaatsverständnis nicht zu vereinbaren.

7. Die Verkürzung der max. Entscheidungsfrist von 6 auf 3 Monate war ein Erfolg. Aber sie ist noch immer zu lang.

Die Tagung wurde mit einer Aktion im Zentrum Wiens abgeschlossen: Reißt die Mauern nieder! Dabei wurde symbolisch eine "Mauer" niedergerissen, gebildet aus Barrieren, die Armutsbekämpfung verhindern: Willkür, Prekäre Jobs, hohe Lebenskosten, Entwürdigung, Arbeitsplatzverlust, Sparpaket, Ungleichheit uvm.

Pressefoto:
 

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