3. Kärntner Soziale Dialog Konferenz

Großer Andrang zeugt von gesteigertem Bedarf an Informationsaustausch und Vernetzung unter den Kärntner Sozial-Expert/innen

22. 04. 2015

Kärntner Sozial-Organisationen stellen fest: Armut wird durch Mindestsicherung nicht beseitigt

„Bei der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Kärnten hapert‘s gewaltig!“ bringt es Mag. Heinz Pichler, Vorstandsmitglied des Kärntner Armutsnetzwerkes auf den Punkt. Er fordert die rasche Beseitigung gravierender Missstände wie ...

11. 06. 2015

Armutskonferenz an IV: Grundrechte statt Almosen. Chancen statt Abstieg.

(11.06.2015). Mit Sorge verfolgt die Armutskonferenz die von der Industriellenvereinigung geforderten Kürzungsvorschläge in der Notstandshilfe. „Wenn diese umgesetzt werden, drohen auch in Österreich verstärkt Entwicklungen wie sie in Deuts...

Am 23. April 2015 hat bereits die 3. Kärntner Soziale Dialog Konferenz stattgefunden, die vom Kärntner Netzwerk gegen Armut und soziale Ausgrenzung in Kooperation mit LH-Stv.in Dr.in Beate Prettner organisiert wurde. Zentrales Thema dieser Konferenz ist das Kärntner Mindestsicherungsgesetz sowie das Kärntner Chancengleichheitsgesetz.

Durch die Konferenz im ÖGB/AK Bildungsforum führte Mag. Heinz Pichler. An dieser Stelle herzlichen Dank an die Arbeiterkammer Kärnten für die Unterstützung!

Der Einladung sind viele Expertinnen und Experten aus Kärntens Sozial-Organisationen gefolgt und die Gelegenheit wurde intensiv zum Erfahrungsaustausch, Aufzeigen der aktuellen Probleme sowie Formulieren von Verbesserungsvorschlägen und notwendigen Maßnahmen genutzt.

LAbg. Ines Obex-Mischitz hat in Vertretung von LH-Stv.in Dr.in Prettner die anwesenden Expertinnen und Experten begrüßt und die Notwendigkeit betont, sich gerade in dieser schwierigen finanziellen Lage nicht davon abhalten zu lassen, die Missstände auszumerzen sowie Verbesserungen für diejenigen zu fordern, die auf die sozialen Sicherungssysteme angewiesen sind.

Monika Skazedonig, Koordinatorin des Kärntner Netzwerkes gegen Armut und soziale Ausgrenzung betont, dass die kontinuierlich steigende Teilnehmer/innen-Zahl an den Dialogkonferenzen als gutes Zeichen dafür gewertet werden kann, dass das Bedürfnis nach Vernetzung und Austausch unter den Mitgliedsorganisationen des Netzwerkes und anderen Sozial-Organisationen da ist. Ein gemeinsames Auftreten gibt den aufgezeigten Problemen und Forderungen mehr Nachdruck und kann von den zuständigen politischen Stellen nicht ignoriert werden! Besonders wichtig ist in dieser Hinsicht der partizipative Teil der Konferenz, bei dem in Arbeitsgruppen Probleme und Verbesserungen formuliert werden. Diese werden an LH-Stv.in Dr.in Prettner sowie an LAbg. Obex-Mischitz weitergeleitet, die auch Vorsitzende des Sozialausschusses im Kärntner Landtag ist.

Für den fachlichen Input zum Thema konnten diesmal drei hervorragende Experten/innen geladen werden, die sich kritisch mit den Themen Bedarfsorientierte Mindestsicherung, Arbeitsmarktpolitik und –orientierung sowie Menschenwürde auseinander setzen.

Den Auftakt machte Mag.a Martina Kargl, Sozialexpertin der Caritas Wien sowie der Österreichischen Armutskonferenz. In ihrem Vortrag streicht sie hervor, dass die Bedarfsorientierte Mindestsicherung das zweite und letzte soziale Sicherungsnetz in Österreich darstellt. Konstruktionsfehler bedeuten für die Betroffenen existenzbedrohende Probleme. Deshalb ist es auch eine zentrale Aufgabe von sozialen Organisationen mit Vehemenz auf die Fehler im System hinzuweisen und, wenn notwendig, auch rechtliche Schritte einzuleiten.

Sehr eindrücklich belegen die Zahlen der Statistik Austria, dass gerade Kärnten es sich nicht leisten kann, bei den Sozialausgaben zu sparen. Rund 88.000 armutsgefährdeten Kärntnerinnen und Kärntnern stehen gerade einmal knapp 5.000 Mindestsicherungsbezieher/innen gegenüber (2013).

Menschen, die Rechtsanspruch auf Mindestsicherung haben, verzichten demnach auf diese Leistungen. Als eine besonders hohe Hürde erweisen sich die Regressansprüche an Eltern, Großeltern oder erwachsene Kinder sowie die notwendigen Unterhaltsklagen im Antragsprozess.

Die Neuverhandlungen der Bund-Länder-Vereinbarung muss als Gelegenheit ergriffen werden, die gravierendsten Missstände aufzuzeigen und die Verbesserung zu fordern. Dazu gehören:

  • eine bundesweite einheitliche Regelung der Mindestsicherung
  • die Höhe der Mindestsicherung muss an die tatsächlichen Aufwendungen für das tägliche Leben angepasst werden (v.a. hinsichtlich Wohn- und Energiekosten)
  • Rechtsansprüche auf Zusatzleistungen bei Sonderbedarfen (z. B. bei chronischer Erkrankung) und in besonderen Lebenslagen (z. B. Geburt eines Kindes)
  • Abschaffung von Regressansprüchen und Einschränkung der Unterhaltsverpflichtungen bei fehlender Selbsterhaltungsfähigkeit
  • Klarstellung, dass sowohl Menschen mit Daueraufenthaltsrecht als auch mit Aufenthaltsverfestigung Anspruch auf BMS haben
  • Keine Anrechnung der erhöhten Familienbeihilfe

Dr. Gottfried Schweiger widmete sich in seinem Vortrag der Frage, ob die geforderte Reintegration in den Arbeitsmarkt, die den Anspruch auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung festlegt, überhaupt die Realität der Mindestsicherungsbezieher/innen abbildet. Die Integration in den Arbeitsmarkt kann auf drei unterschiedlichen Ebenen betrachtet werden: Welche Stellen, wie viele Stellen und wo gibt es verfügbare Stellen am Arbeitsmarkt? Welche Ziele werden mit den Maßnahmen zur Integration (Weiterbildungen, Ausbildungen, Fortbildungen, etc.) verfolgt und wie werden sie umgesetzt? Inwieweit werden die individuellen Fähigkeiten und Probleme der BMS-Bezieher/innen berücksichtigt (physische und psychische Gesundheit, Bildung, Motivation, Selbstwert)? Hierbei tritt eine Lücke zutage mit der bei der Bedarfsorientierte Mindestsicherung, sofern sie sich auf die Integration in den Arbeitsmarkt beruft, umgegangen werden muss: Der Arbeitsmarkt entspricht nicht den Anforderungen auf Seiten der Arbeitssuchenden bzw. die Mindestsicherungsbezieher/innen „passen“ nicht in die verfügbaren Stellen am Arbeitsmarkt. Das System sieht vor, die Menschen an den Markt anzupassen.

Eine Studie, die in Salzburg mit Bezieher/innen von Bedarfsorientierter Mindestsicherung durchgeführt wurde, zeigt, dass Scheitern am Arbeitsmarkt bzw. bei der Integration in den Arbeitsmarkt eine zentrale Erfahrung ist, und sich schlussendlich auf die psychische Gesundheit auswirken kann. Das Scheitern und der Ausschluss aus dem Erwerbsleben bedeutet für die Betroffenen einen Verlust ihrer Würde in mehrfacher Weise: Zum einen durch institutionelle Entwürdigung im Zuge der Inanspruchnahme der Bedarfsorientierten Mindestsicherung und/oder durch die „Bemaßnahmung“ im Integrationsprozess, die soziale Entwürdigung im persönlichen Umfeld, öffentliche Entwürdigung durch den politischen und medialen Diskurs („Sozialschmarotzer“), persönliche Entwürdigung und Abwertung der eigenen Leistungen, Fähigkeiten und Person und der der Verlust des Gefühls, sich als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu begreifen.

In der Bedarfsorientierten Mindestsicherung muss also mit zwei Problemen umgegangen werden:

  • „Kann es gelingen, die Ziele der sozialen Integration und eines würdigen Lebens auf für diese Personen zu sichern, die nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden können?
  • Welche Maßnahmen zur Integration setze ich für welche Zielgruppen und mit welchen (realistischen) Zielen unter den gegebenen Bedingungen?“

Der dritte Input von Mag. Florian Kerschbaumer dreht sich um die Experimentelle Arbeitsmarktpolitik, die in Kärnten vor 30 Jahren ihren Beginn nahm. Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der ersten sozial-ökonomischen Betriebe in Kärnten, wurde unter der Herausgeberschaft von Mag. Heinz Pichler und Mag. Florian Kerschbaumer ein Sammelband zum Thema editiert.

"Die Bekämpfung der in den vergangenen Jahren rasant anwachsenden Arbeitslosigkeit gehört wohl zu den relevantesten (gesellschafts-)politischen Aufgaben unserer Tage. Neben klassischen arbeitsmarktpolitischen Instrumentarien, rücken immer mehr auch (neue und alte) innovative Alternativkonzepte ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Der vorliegende Sammelband wirft einen Blick auf die vor über 30 Jahren initiierte „experimentelle Arbeitsmarktpolitik“. Ausgehend von Kärnten werden dabei die historischen Rahmenbedingungen und Erfahrungen dieses Konzeptes reflektiert, kritische Gegenwartsdiagnosen gestellt und Perspektiven für die Zukunft entwickelt. Mit Beiträgen von Nikolaus Dimmel, Martin Schenk, Franz Zewell und vielen mehr."

Anschließend an die Vorträge widmeten sich die Teilnehmer/innen in einem World Café den Themen „Experimentelle Arbeitsmarktpolitik“, „Würde, Erwerbsarbeit und BMS“ sowie „Bedarfsorientierte Mindestsicherung – zur Kärntner Lage“.

Die zentralen Ergebnisse daraus werden LH-Stv.in Dr.in Beate Prettner und LAbg. und Vorsitzende des Sozialausschusses des Kärntner Landtages Ines Obex-Mischitz übergeben.